Icebreaker ade und Samstags entspannt !

Langsam können die langen Merino-Unterhosen tatsächlich in der Versenkung verschwinden.
Die Heizung bleibt aus, es wird warm - na ja, wärmer.
Etwas mehr Sommer darf es aber schon noch sein!!!
Die Abende vor der Tür sind noch immer lausig - statt gekühlten Getränken vom Nachbarn, wird weiterhin fleißig Tee getrunken.

Die Bundesliga-Saison ist jetzt erstmal zu Ende, am Samstag wird kein Kunde mehr freundlich aber bestimmt um 18 Uhr aus dem Laden hinauskomplementiert.
Bei schönem Wetter kommt ja eh der ein oder andere späte Gast auf ein Schwätzchen,
da kann jetzt ganz entspannt zu Ende geplaudert werden.
Ob ich der Senefelderstraße fehlen werde?
Ab sofort, bis zur nächsten Saison, bitte nur noch Sitzplatzreservierung zur WM und nur zu Deutschland-Spielen.
Was machen wir jetzt alle ohne die Sportschau am Samstag?
Vielleicht endlich mal Tischtennis spielen?
Ich erwarte mit Angst das erste Match im "Jungsbrunnen" - hab ja schon ewig nicht mehr gespielt...
Oder, zur Einstimmung auf die WM, ein paar Fußballbücher lesen!

Péter Esterházy : Deutschlandreise im Strafraum
Eine Liebeserklärung an den Fußball - das Phänomen, analysiert von Bietrinkern, wandelnden taxifahrenden, Fußballlexikas, Fans im Allgemeinen und im Besonderen.
Zwischen Fankurve und Clubhaus werden kleine und große Befindlichkeiten einer ganzen Nation
auf den Punkt gebracht.
Nick Hornby : Fever Pitch Natürlich, was sonst!!!
Die Geschichte eines Fans. Punkt!
Wer das nicht liest oder noch nicht gelesen hat ist selber schuld!

Christoph Biermann:
Wenn D
u am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen
Gibt es nur soviel zu sagen: lesen!!!

Ebenso auch alle anderen Biermann-Fußball-Bücher!
Außerdem noch unbedingt nicht vergessen:
Ronald Reng: Der Traumhüter !!!

Für alle großen und kleinen Jungs steht natürlich noch
Mal Peet: Keeper ganz, ganz oben auf der Liste!
Eine sagenhafte Geschichte vom berühmtesten Torwart der Welt "El Gato" - die Katze, der einem geheimnisvollen Keeper, am Rande eines Holzfällerdorfes, mitten im Urwald seinen Erfolg zu verdanken hat...


Probleme - Nein Danke!!!

Der letzte Leseclub war gut besucht.
12 Teilnehmer vor Ort und 4 Meldungen und Kritiken via Internet - keine schlechte Ausbeute.
Allerdings war es diesmal schwer, neue Bücher für die Besprechungen zum nächsten Treffen zu finden.
Thema Drogen?" , lieber nich".
Thema Mobbing? Auch Fehlanzeige.
Wie wär's mit Missbrauch oder Verlust eines Elternteils? - bloß nicht!
"Gibt's hier nicht mal was Lustiges?" wollte Yannik wissen. Und Otto wollte ebenfalls "keinen Problemkram" lesen.
Weltuntergang, Magersucht, Coming-out, Komasaufen, keiner-mag-mich-Geschichten, miese Castingagenturen im Netz oder frühe Schwangerschaft - alles Burner von gestern.
Die jungen Leute wollen einfach mal wieder richtig ablachen. Im Notfall greift man dann mit 15 sogar nochmal zu Gregs Tagebuch - in letzter Verzweiflung.
Also, liebe Leute, die Bücher schreiben: schmeißt mal wieder einen ordentlichen Lacher-Kracher auf den Markt - und mit Niveau bitte!
Unsere Jugendlichen haben genug mit dem ganz normalen Leben zu tun. Wir müssen schon ziemlich lange ohne Sonne auskommen, da will man wenigstens die Lachmuskeln wieder mal spüren!

Mir
hingegen kann es ja nie traurig genug sein - her mit den Problemen der Anderen!
Willy Vlautin Lean on Pete
kam da genau richtig.

Herzzerreißend schön und traurig - getreu nach dem Motto : schlimmer geht immer, geht man mit den Antihelden auf eine lange Reise von Portland nach Wyoming.
Charly ist 15. Seine Mutter abgehauen, sein Vater erstmal selten, später gar nicht mehr da.
Es gibt eine Tante, die gefunden werden muss und viele traurige, gescheiterte Existenzen.
Lean on Pete, ein abgehalftertes Rennpferd, das seinem Besitzer keinen Pfifferling mehr wert ist und mit einem barbarischen Viehtransport über die mexikanische Grenze geschafft werden soll, wird von Charly gerettet und er und Lean on Pete werden für eine kurze Zeit eine Familie...
Wer Motellife oder Northline von Vlautin gelesen hat ahnt, dass das nicht gut enden kann...
Es gibt nichts zu lachen und wenige Momente, die glücklich machen - am Ende (auch das ist Programm bei Vlautin) gibt es aber doch noch so etwas, wie Hoffnung.
Eine schöne Mischung aus Mark Twains Huckleberry Finn und Cormac McCarthys All die schönen Pferde.
Im Juni wird dieses Buch erscheinen und in meinem Laden wird niemand drumherum kommen!

Ganz anders und mal schnell für zwischendurch:
Die fliegenden Trautmanns von Miriam Toews
Ein herrlich schräges Roadmovie im Van über die Route 66.
Zwei Geschwister,
Logan 16 undThebes 11 haben gelernt mit ihrer depressiven Mutter zu leben.
Beide sind erwachsener, als sie sein sollten - so weit so gut.
Als Mutter Min aber ihren letzten Lebenswillen aufgibt, in eine
psychatrische Klinik eingewiesen
werden muss, kommt Schwester
Hattie auf den Plan.
Sie versucht, mit Nichte und Neffe im Schlepptau, den Vater der Kinder ausfindig zu machen.
Mit einem altersschwachen Auto, einem stinkenden Köter, der sich unterwegs kurzerhand der Patchworkfamilie anschließt, versuchen alle irgendwie miteinander auszukommen.
Geht natürlich erstmal gar nicht.
Logan, voll in der Pubertät, verschließt sich jeglicher Kommunikation und Thebe redet mit ihren
11jährigen Lebensweisheiten alles und jeden schwindlig.
"Tante"
Hattie, selbst vom aktuellen Liebeskummer geplagt, versucht cool zu bleiben.
Nach und nach werden alte Verhaltensmuster aufgebrochen und das ganze Elend der Familiengeschichte Trautmann kommt an die Oberfläche.
Aber es wird
afgeräumt und zwar gründlich!
Es gibt Schlägereien, furiose Korbwürfe, qualmende Motoren und großartige Dialoge zwischen den Geschwistern. Irgendwann spricht man wieder in ganzen Sätzen miteinander, lächelt sich an und reicht sich einander die Hand.
Ende gut, alles gut?
Verrate ich nicht!

Braucht man dieses Buch?
Keine Ahnung - aber
gebrauchen kann man es in jedem Fall...
Auf der Rückseite des Buches steht
Little Miss Sunshine auf kanadisch - was für ein Quatsch!
Hat man auch gleich schön, auf dem
Cover, einen gelben VW-Bus abgebildet - und wer es dann noch immer nicht kapiert hat, kriegt hinten schwarz auf weiß zu lesen, mit was er das Buch vergleichen kann.
Was soll das?
Manchmal glaube ich, die Verlage halten den Leser für total bescheuert und völlig merkbefreit.
Wer
Little Miss Sunshine haben will, soll sich den Film nochmal anschauen.
Mit dem Buch hat der eigentlich
nix zu tun.





Hausschuhe und Siebenmeilenstiefel

Der erste "Elternabend" ist erfolgreich über die Bühne gegangen!
Wir hatten viel Spaß neue und alte Lieblingsbücher vorzustellen und die Resonanz war beachtlich. Noch immer kommen spät entschlossene Nachzügler, um Zwei an einem Tag zu kaufen!
Das war der Renner der Veranstaltung, gefolgt von den Geschichten des Herrn Eichhorn und Lola rast.
Der naheste Teilnehmer kam übrigens aus dem Nachbarhaus (der hätte quasi in Hausschuhen antreten können), die am weitesten angereiste Kundin aus Frohnau (gäbe es keine öffentlichen Verkehsmittel, wären die Siebenmeilenstiefel wohl zum Einsatz gekommen).
Unsere liebe Frau P. kam zu später Stunde noch mit der frohen Kunde der bestandenen Facharztprüfung, das konnte dann gleich noch mitgefeiert werden.
Die Daumen können sich wieder entspannen - ich wusste doch, dass das klar geht.
Der nächste "Elternabend" wird gleich nach dem Sommerfest stattfinden.
Noch vor den großen Ferien wollen wir dann Bücher zum Thema erstes Lesen und Geschichten für die ganze Familie vorstellen.
Damit sich bloß keiner in der schulfreien Zeit langweilen kann.
Auch ich habe natürlich wieder Bücher aus den Stapeln gezogen, die Emma und Dexter nachfolgen können.
Nein, keine Angst, es folgen jetzt nicht etwa ausführliche Beschreibungen von Kettensägenmassakern! Erstaunlicherweise habe ich zwei ganz beachtliche Schätze hervorgetan.
Beide im letzten Jahr bereits erschienen und unbedingt lesenswert.
Here you are:

Sebastian Barry Ein verborgenes Leben

Eine feine aber düstere Erzählung. Angesiedelt in Irland, basierend auf den Konflikten der katholischen Glaubenskriege. Man fühlt sich oft an Abbitte von Ian McEwan erinnert.
Die hundertjährige Roseanne (Presbyterianerin) schreibt, das Ende ahnend, ihre Geschichte in verborgene Tagebücher.
Nach einer verhängnisvollen Ehe mit dem Katholiken Tom, wird sie des Ehebruchs und des Kindsmordes angeklagt.
Die Mutter schon früh dem Wahn verfallen, der Vater als Kollaborateur geteert und gefedert wird Roseanne, durch die Vormundschaft eines mächtigen Priesters, der örtlichen Irrenanstalt übergeben.
Beginnend in den 1922 Jahren bis in die heutige Zeit wird ein großer Bogen gespannt.
Politische Ereignisse, wie die erste Hinrichtung 14 britischer Geheimagenten durch die IRA (Bloody Sunday) bis hin zur Bildung einer paritätischen Koalitionsregierung zur Teilung der Macht in Nordirland zwischen Unionisten und Nationalisten, sind im Anhang nachzulesen und erklären die Ereignisse einer Nacht, die eine ganze Familie zerstörten.
Es gibt keine Abbitte für Roseanne, soviel sei gesagt aber zum Schluß wir doch noch alles an seinen rechten Platz gerückt.

Norbert Zähringer Einer von Vielen
1923
Mit einem Erdbeben fängt alles an. Während ein japanischer Polizist in Tokio um sein Leben rennt, werden zwei Kinder, zur gleichen Zeit und tausende Kilometer voneinander entfernt, geboren.
Der eine in der Mojave-Wüste, der andere im Nazi-Deutschland.
Ein Panorama des 20 Jahrhunderts, vom Aufstieg und Fall eines Mannes, der quasi doppelt vorhanden ist.
Von den Glanzzeiten Hollywoods bis zum Berliner Mauerfall gibt es jede Menge kleine und große Katastrophen für Edison Frimm und Siegfried Heinze.
Beide treffen in Berlin aufeinander und bis dahin ist eine wilde Geschichte über drei Kontinente erzählt.
Wahrscheinlich hätten es weniger als 500 Seiten auch getan und man sollte nicht allzu verbissen die Geschichte des zweiten Weltkriegs lesen.
Vielleicht ist es gut, alles nicht ganz ernst zu nehmen und überhaupt:"braucht man dieses Buch?"
Wahrscheinlich nicht aber Spaß gemacht hat's trotzdem!