West- Berlin war nicht Westdeutschland - Hausers Zimmer

Tanja Dückers hat mit ihrem neuen Buch Hausers Zimmer (Schöffling Verlag, Februar 2011) ganz klar den Ratten und Tauben von Berlin ein kleines Denkmal gesetzt. Die gehörten damals genauso zu West-Berlin wie das Kranzler und Christiane F.
Hinterhöfe in und um die Kantstraße waren schmutzig, voller Mülltonnen, Pennern, Junkies, Tauben und Ratten.
Bürgerlichkeit und Anarchie wohnten Tür an Tür - ordentlich renovierte Wohnhäuser standen gegenüber von Ruinen. Alles hatte seinen Platz, seine Berechtigung und seine Faszination.
Julika wohnt gegenüber von Hausers Zimmer. Beobachtet ihn und träumt sich samt Hardrocker Hauser nach Patagonien oder zumindest auf das Bett unter der Hawaii Fototapete.
Die Eltern, extrem locker im Umgang mit Erziehung, häuslicher und körperlicher Sauberkeit, bieten dem Mädchen ein echtes Spektrum der 80er Jahre.
Viel Kunst, viel Politik alles wird ausdiskutiert und dennoch - für einen heranwachsenden Menschen ist alles, was mit zu Hause zu tun, hat klein und eng und peinlich.
Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner - oder orange, wie das geheimnisvolle Licht in Hausers Zimmer.
Berlin in den 80er Jahren war doch irgendwie anders als Westdeutschland. Klar, die Musik war gleich, die hässlichen Klamotten die grauenhaften Haarschnitte und dennoch - Berlin war Insel und das war das Besondere. Alles schien intensiver, aufregender und geheimnisvoller. Ein schönes Porträt dieser Zeit und einer Stadt, die man so überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hat. Wenn man das Buch zuschlägt denkt man : Mist, wieso bin ich eigentlich nicht schon viel eher in dieses verdammte Berlin gezogen? Marschiert den Westen nochmal ab und kann's nicht fassen: alles schick, alles weg - schade!

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