Gestern bei Oetinger...

Schön war's mal wieder beim Sommerfest des Oetinger Verlagsvertreters - mit lauter Leuten, die sich auf Bücher verstehen und nachdem alle neuen, wichtigen, guten und schlechten Kinder- und Jugendbücher durchgehechelt waren, kam wie immer die Frage nach den jeweiligen Lieblingsbüchern.
Komischerweise bin ich die Einzige, die sofort 5 Lieblingsbücher parat hat. Nach viel äh- und- weiß -gerade- gar- nicht- wechselt- ja-ständig kommen bei mir doch gleich, sozusagen wie aus der Pistole geschossen (darf man das noch sagen???) meine Favoriten - ohne großartig nachdenken zu müssen.
Der einzige Haken : es sind seit Jahren immer die gleichen Titel, was mit spöttischem Lächeln gähnend oder gar nicht von den Kollegen zur Kenntniss genommen wird...
Natürlich kommen auch bei mir wöchentlich andere Titel dazu, verschwinden aber genauso schnell wieder - die Essenz bleibt einfach immer gleich - vielleicht ändert sich ja was bis zum nächsten Sommerfest - meine Kollegen hätten echt mal ne andere Antwort verdient.

Hier meine fünf "Oldies but Goldies":

Frank Schulz - Das Ouzo -Orakel
Das ultimative Sommerbuch, zum Brüllen komisch - auf hohem literarischen Niveau.
Bodo Morten wandert, nach psychischem Totalausfall und freiwilligem Aufenthalt in der Klappsmühle bzw. Sanatorium nach Griechenland aus. Er lebt dort mit viel Meditation und wenig Kleidung ein asketisches Leben in einer abgelegen Bucht.
Kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Frauen - die einzige Geselligkeit, die er sich hin und wieder leistet, ist ein kleiner Freundeskreis in der Dorfwirtschaft. Das geht solange gut bis Monika sich, auf der Suche nach ihrem abtrünnigen Mann, in diese Dorfwirtschaft verirrt. Tatsächlich hat Monika schon früher einmal Bodos Leben durcheinander gebracht und diesmal gerät das ganze Dorf aus den Fugen. Bodo wachsen die Ereignisse über den Kopf.
Das Ouzo-Orakel, einEinsiedler bei dem auch die Einheimischen Rat suchen, könnte Bodos letzte Rettung sein - fünf Liter Ouzo und Bodo Morten machen sich auf in die Berge ...

Jonathan Lethem - Die Festung der Einsamkeit
Anfang der siebziger Jahre ziehen die ersten weißen Hippiefamilien nach Brooklyn. Überwigend Schwarze und Puertoricaner leben dort und Dylan, Sohn eines weißen Malers und einer weißen Hippiemutter kann sich nur mit Hilfe seines schwarzen Freundes Mingus Rude, selbstbewußter Sprössling eines ehemaligen Soulsängers, seinen Platz im Zentrum Brooklyns erkämpfen.
Eines Tages finden die beiden Freunde den Ring einer längst vergessenen Comic-Figur und erfüllen eine großartige Mission...
Die beiden Jungs werden erwachsen, entdecken alles, was es im Leben zu entdecken gibt: echte Freundschaft, Musik, Drogen, Sex - sie entwickeln sich irgendwann so unterschiedlich, dass ihre Wege sich trennen.
Viele Jahre später treffen sie sich erneut um eine letzte, offene Rechnung zu begleichen...
Es gibt Sätze in diesem Buch, die sind zum Niederknien und die Geschichte macht süchtig, lässt einen nicht los und hat mir manche schlaflose Nacht bereitet.
Für mich ein absolutes Meisterwerk, ein grosser Schatz, der immer zu meinen Lieblingsbüchern gehören wird.

Lars, Saabye Christensen - Der Halbbruder
Das ist so ein Buch, dass man ganz" vorsichtig" liest. Wort für Wort - bloß nichts überlesen und ürhaupt ist man nach der ersten Hälfte schon deprimiert, dass auch dieses Buch irgendwann zu Ende sein wird.
Die Geschichte fängt im Nachkriegsnorwegen an und endet in den späten 1990iger Jahren. Eine große Familiensaga, die auch junge Leser ab 16 durchaus schon lesen können. Starke Frauen, schräge Männer, rivalisierende Brüder und immer wieder diese besondere, lakonische Stimmung Norwegens.
So fulminant erzählt, dass es schwierig ist den Inhalt, der zwischendurch auch in Berlin, im grossen Filmbusiness spielt, in Kürze wiederzugeben - einfach mal auf die Buchhändlerin vertrauen und lesen!

Steve Tesisch - Abspann
Dieses Werk wird immer zu meinen Lieblingsbüchern gehören, egal was kommt.
Saul Karoo, Anfang 50, lebt in New York, raucht zuviel, trinkt zuviel, ist zu dick und leidet an seiner endlosen Scheidung und an sich selbst. Er ist"doc der Skriptflicker" und eine Koryphäe auf dem Gebiet des Umschreibens schlechter Drehbücher.
Er verachtet seinen Job, die Welt der Kultursnobs und seine eigene Unfähigkeit zu lieben. Bissig und ironisch laviert er sich von einer Filmpartie zur nächsten, leidet am nüchternen Blick (d.h. er kann nicht mehr betrunken werden) und seiner Sinnkrise.
Zufällig kommt er der Mutter seines Adoptivsohnes, zu dem er so gut wie überhaupt keine Beziehung hat, auf die Spur. Sie ist eine Gelegenheitsschauspielerin, deren Szenen Saul beim Umschreiben eines Drehbuchs rausgeschmissen hat.
So wie er sein Leben lang missglückte Drehbücher umgeschrieben hat, will er dieses eine Mal Leben korrigieren und lässt einen Film entstehen, der die junge Frau berühmt machen soll.
Längst hat Saul sich in die deutlich jüngere Frau verliebt, arrangiert einen gemeinsamen Urlaub und bringt Mutter und Sohn zusammen ohne ihnen zu erzählen, dass sie miteinander verwandt sind. Bei einem Ausflug zu zweit kommen Mutter und Sohn sich näher...

Kiran Nagarkar - Gottes kleiner Krieger
Zu diesem Prachtbuch will ich gar nicht erst anfangen eine Inhaltsangabe zu schreiben.
Ein ganz kluges Buch. Über das Wesen des Fundamentalismus. Über Krieg und Terror.
Über Liebe, Freundschaft, Verrat, Gut und Böse - über das Leben im Allgemeinen und im ganz Besonderen.
Es ist eine wahre Freude an der Fabulierkunst des Autors teilzuhaben - man riecht und schmeckt dieses Indien reist mit Zia Khan um die halbe Welt.
Von Bombay nach Cambridge und zu den Terrorristencamps in den Bergen Afghanistans - vom Trappistenkloster in Kalifornien bis hin zu den kriminellen Machenschaften der internationalen Finanzwelt führt der Kreuzzug von Zia Khan - Gottes kleiner Krieger und begnadetes Mathematikgenie.
Egal welche der Weltreligionen es ist - Zia Khan verfolgt sie mit Leidenschaft und Inbrunst, wechselt die Glaubensrichtungen und sieht sich doch immer auserkoren zum Retter der Welt.
Hat mich ganz schwer beeindruckt - nur das Ende fand ich ziemlich "Hollywood lässt grüßen"

Zum Schluss noch eben einen Tip für alle, die "Die Strasse" oder"Kein Land für alte Männer" von Cormac McCarthy gelesen haben und nicht wissen welches sie als nächstes lesen könnten (hat gerade Felix per mail gefragt!) - alle sind großartig - mein Lieblingsbuch ist "All die schönen Pferde" (Taschentücher beim Lesen bereithalten, ich hab total geheult).
Den müsste ich auch zu meinen" Fünf Besten" dazunehmen - aber welches fliegt dann raus?
Mist! - vielleicht fragt man mich ja nächstes Jahr nach ein paar Lieblingsbüchern mehr...

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